Verdächtige widerrufen Geständnis

Die beiden Verdächtigen im Doppelmord-Fall auf Koh Tao haben ihr Geständnis widerrufen. Das dürfte nach meiner Meinung hauptsächlich prozess-taktische Gründe haben. Nachdem den in Kürze Angeklagten von der burmesischen Botschaft der Rechts­anwalt Aung Myo Thant zur Seite gestellt wurde, behauptet dieser jetzt, das Geständnis sei unter dem Druck von Folter zustande gekommen.1 Das wirft natürlich auch die Frage auf, weshalb die beiden ihrem Anwalt gegenüber dann anfangs ein Geständnis abgelegt haben.2

Angeklagte mit Anwälten und Polizei
Quelle: irrawaddy.org

Kaum ein Verteidiger, schon gar nicht in einem Fall, der weltweite Resonanz hervorruft, würde seinen Mandanten in dieser Situation den Rat geben, ihr Geständnis aufrecht zu erhalten. Dann wäre der Prozess vorbei, kurz nachdem er begonnen hat. Was soll man groß verhandeln, wenn die Angeklagten geständig sind? Das Urteil wäre höchst­wahrscheinlich die Todesstrafe. Leugnen die Angeklagten, müssen die Beweise auf den Tisch. Insofern ist der Widerruf durchaus positiv zu sehen. Nicht unbedingt in zweiter Linie wohl auch für die Anwälte selbst.

Tatsache ist, dass die Angeklagten unabhängige Rechtsbeistände brauchen. Eine Straftat zu leugnen ist das Recht jedes Angeklagten. Ist das Gericht dann in der Lage, die Taten zu beweisen, wird das auch für die thailändische Polizei von Vorteil sein. Sie kann dem Vorwurf, sie habe nur Sündenböcke präsentiert, dann wesentlich souveräner begegnen, als wenn die mutmaßlichen Täter von Anfang an geständig gewesen wären. Dieses an sich hirnrissige Argument ist leider mehr als stichhaltig in einer Situation wo der Polizei von den Medien so gut wie gar nichts mehr geglaubt wird und Schutzbehauptungen der Verdächtigen als gleichwertig gelten.

Verdächtige in einem Mordfall, bei deren Schuldspruch ihr Leben auf dem Spiel steht, haben jedes Recht der Welt, sich zu verteidigen, sie haben sogar das Recht zu lügen. Allerdings sollten Medien das Leugnen auch nicht überbewerten. Wer würde es nicht tun? Der Prozess wird nach dem ersten Urteil, egal wie es ausfällt, wohl kaum zu Ende sein. Nach meiner Meinung ist geradezu zwingend, dass die Verteidigung im Falle eines Schuldspruchs bis zum Supreme Court in Berufung gehen wird. Es ist kaum vorstellbar, dass sich höchste Polizei-Offiziere die Blösse der Entdeckung geben würden, wenn sie genau wüssten, dass ihre Beweiskette sich dabei als gegenstandslos oder gar manipuliert herausstellen würde.

Amnesty International fordert eine Untersuchung bezüglich der Folter-Vorwürfe.3 Andere Medien und viele Blogger fordern eine erneute, unabhängige DNA-Analyse.4 Sie alle haben nicht unrecht. Doch die Frage, die sich mir aufdrängt ist: Warum tut man es nicht einfach? Die Leichen der Ermordeten wurden bereits eine Woche nach der Tat nach England überführt und an DNA-Proben der Verdächtigen zu kommen, sollte für die Anwälte ein leichtes sein. Was also hindert die englischen Behörden daran, eine DNA-Analyse einfach zu wiederholen und das Ergebnis zu veröffentlichen?

Der thailändischen Polizei wird Korruption vorgeworfen. Diese Vorwürfe sind nicht unberechtigt, aber genau das ist ja eines der Dinge, die Premierminister Prayuth abzustellen versucht. Nicht wenige Aktionen wurden bereits durchgeführt. Das ist nun auch wieder nicht recht, weil nicht „demokratisch“ genug.

Ein ganz klein wenig Voreingenommenheit darf man den westlichen Medien und vor allem kritischen Bloggern hier schon unterstellen. Sie wollen einem „Diktator“ noch nicht einmal die Chance geben, etwas zum Positiven zu verändern. Vor dem Hintergrund, dass die Majorität der thai­län­di­schen Bevölkerung die Intervention des thai­län­di­schen Militärs begrüsst und positiv aufgenommen hat, mutet das schon ein wenig seltsam an. Was allerdings Demokratie mit polizeilicher Ermittlungsarbeit zu tun haben soll, wissen offenbar nicht einmal die Kritiker selbst so genau.

Man muß sich doch fragen, wo genau da Korruption im Spiel gewesen sein soll und was sie verfälscht haben soll. Es wurde geschrieben, die Familien der Verdächtigen hätten Geld erhalten, damit die beiden sich als Sündenböcke zur Verfügung stellen sollen. Zumindest dieses „Argument“ ist durch die jüngsten Entwicklungen entkräftet. Warum haben sie dann widerrufen?

Update 13.00 Uhr:
Die Staatsanwaltschaft Surat Thani hat bereits gestern den mehr als 850 Seiten umfassenden Unter­suchungs­bericht in diesem Mordfall an die Polizei zurück­gegeben. Sie bezeichnete den Bericht als „mangelhaft“ und fordert „mehr ent­schei­dende Informationen“.5 Da dieser Fall die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf sich ziehe, forderten die Ankläger die Polizei auf „einige Mängel“ zu beheben sowie manche Punkte „prägnanter zu for­mu­lie­ren“. Eine genaue Frist wurde dafür nicht gesetzt. Man will offensichtlich einen wasserdichten Fall und das ist auch gut so.

Update 11. Oktober 2014:
Die Frist für die Abgabe des nachgebesserten Untersuchungsberichts wurde von der Staatsanwaltschaft auf Donnerstag den 16. Oktober 2014 festgesetzt.6 Danach wolle die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob die Beschuldigten angeklagt werden oder nicht. Premierminister Prayuth sagte anlässlich seines Staatsbesuchs in Myanmar, sein Gegenüber verstehe das Vorgehen der thailändischen Behörden und bekräftige, bei den beiden beschuldigten Burmesen handle es sich nicht um Sündenböcke.

Update 12. Oktober 2014:
Beim Widerruf des Geständnisses soll es sich um reine Spekulation der Medien gehandelt haben.7 Die Bangkok Post meldet das ebenfalls.8 Durchaus möglich, wenn man bedenkt, dass es natürlich ein gewaltiger Unterschied ist, ob jemand seinem Anwalt irgend etwas sagt, oder ob es offiziell zu Protokoll gegeben wird. Es erscheint auch nicht unmöglich, dass die Presse-Meldungen spekulativ waren. Jedenfalls bleibt es spannend, bis am kommenden Donnerstag die Polizei ihre überarbeiteten Untersuchungsberichte erneut an die Staatsanwaltschaft übergeben wird.