Tod unter Palmen

„Feiern, bis der Arzt kommt.“ Hunderte westlicher Thailand-Touristen nehmen diese Redensart wörtlich und sterben im Urlaub. Auch für viele Deutsche endet der Urlaub unter tropischer Sonne jedes Jahr tödlich. Die häufigste Ursache: Motorradunfälle, bei denen angetrunken und ohne Helm gefahren wurde. An zweiter Stelle, und um das geht es in diesem Artikel, Herzattacken beim Sex, oft nach der Einnahme von Viagra.

Nicht wenige der betagteren Urlauber und Residenten bedienen sich in Thailand der Lustpille Viagra. In Pattayas Apotheken ist das Potenzmittel ein Umsatzrenner. Aufklärung über mögliche Nebenwirkungen wird kaum erwartet, die Kunden scheinen gut informiert. Dennoch führt die Sexdroge immer häufiger zum totalen Kollaps. Hitze, Sex und Alkohol in Kombination mit dem stimulierenden Medikament –  für viele Touristen ist der Trip ins sonnige Thailand der letzte. Es ist die Mischung aus fortgeschrittenen Alter, dem Alkohol und dem feuchtheißen Klima, das die meisten Europäer nicht gewohnt sind.

Hinzu kommt, dass die meisten Viagra-Pillen, die man einfach auf der Straße kaufen kann, Fälschungen sind. „Eine echte ist sehr teuer, die sich keiner leistet“, sagt Dieter, der seit 20 Jahren in Pattaya lebt, in einem Youtube-Video. „Man nimmt also grundsätzlich ein billiges Produkt, mit dem die Leute aber zufrieden sind.“ Hat man da keine Angst vor Nebenwirkungen? „Im Prinzip nicht, die Leute die hierher kommen, die wollen Freude und Spaß haben.

Freude und Spaß enden allerdings oft tödlich, was dann von deutschsprachigen Medien in Thailand gerne auf­ge­griffen wird um Thailand als ganzes zu diskreditieren. Dazu sagt Pathom Sawanpanyalert von der thailändischen Arzneimittelbehörde im selben Video: „Es kann doch nicht unser Ziel sein, Touristen zu erklären wie man echtes oder gefälschtes Viagra erkennt, es muß darum gehen, dass sie zum Arzt gehen, sich ein Rezept besorgen und solche Medi­ka­mente nicht auf der Straße kaufen.

Die Bilder stammen alle aus einem ziemlich alten Youtube-Video. Alle Gesichter sind unkenntlich gemacht. Sie schockieren und das sollen sie durchaus. Ist denn Sex und Saufen wirklich das einzige, womit wir Westler uns im Ausland präsentieren wollen? Das hat nichts mit Moral oder Prüderie zu tun, sondern eher etwas mit Menschen­­würde. Wenn die Pfeife nicht mehr steht, dann hat das einen Grund, den man mit Anstand und Würde entweder einen Arzt beheben lassen sollte oder sich eben mit dem Naturgegebenen abfinden. Nein, ein 65jähriger, ob mit oder ohne Bierbauch, und einer 18jährigen auf dem Schoß ist nicht cool, sondern er macht sich zum Trottel. Mit oder ohne Viagra. Er signalisiert der Welt lediglich, dass er es trotz forgeschrittenem Alter noch immer nicht geschafft hat, sich ein ausgeglichenes Leben aufzubauen.

In Thailand-Foren werden sie dann als „lebensfroher Mensch“, „guter Kumpel“ und „Thailandkenner“ geradezu glorifiziert und haben eine viel zu laute Stimme, die permanent bei Sendern wir RTL und Konsorten zu hören ist. Live aus „dem Pimperparadies für rüstige Rammelrentner“ wo „Monogamie Hartz IV für den Lümmel“ ist. Aber sie repräsentieren die Auswanderer in Thailand nicht. Sie schaden ihnen. Genausowenig wie Sankt Pauli Hamburg ist, haben die Rotlichtbezirke Thai­lands etwas mit Thailand zu tun.

Diese Typen räkeln sich in dem wonnigen Gefühl, dem vermeintlich „weit überlegenen Westen“ anzugehören aber ihre Lebensleistung besteht zum größten Teil darin, ein „guter Deutscher“ zu sein und ihre „Freundinnen“ darüber beleert belehrt zu haben, wie man(n) die Dinge „richtig“ angeht. Deutsch versteht sich. Dass sie folglich in Thailand nur kräftig ausgenommen und fallen gelassen werden wie eine heiße Kartoffel, wenn ihnen das Geld ausgeht, ist nicht nur logisch sondern auch irgendwie richtig. Die weitaus meisten Thais können sich nämlich, wer hätte es geahnt, nur sehr eingeschränkt mit Gelsenkirchener Barock identifizieren… „Ich habe eine Putzfrau, die kommt jeden Tag und ist preiswert.“ So muß es sein.

Mitte der 80er Jahre kam mit den Touristen auch AIDS an den Golf von Siam. Schätzungsweise 20% der Frauen, die ihre Körper verkaufen sind HIV-positiv. „Wer hat die Krankheit hierher gebracht? Das kommt nicht von Thailand, sondern von den Europäern, Amerikanern und Australiern. Die Mädchen hier sind absolut unbedarft, kommen aus der tiefsten Provinz und machen vielleicht zum ersten Mal im Leben Sex. Die arbeiten hier in Gogo-Bars und müssen Geld verdienen um zu überleben. Die sind halt sehr naiv und das wird ausgenutzt.“ – sagt ein „Inisder“. Die Walking-Street in Pattaya gilt als das größte Bordell der Welt.

Die Herrenrunde demonstriert, wie schnell einem bei zuviel Sonne das Hirn unter die Gürtellinie rutschen kann: „Die Thai-Weiber sind einfach … die werden dazu geboren, den Mann zu bedienen.“ Gibt es da noch irgendwelche Fragen bezüglich der „überlegenen Kultur“ in der westlichen Welt?

Insoweit sind mir persönlich die Aktionen der thailändischen Militärjunta unter General Prayuth recht will­kom­men. Säuberungs­aktionen auf Phuket, Abriss illegaler Bauten an den Stränden sowie Massnahmen gegen die Krimi­nalität werden hoffentlich das Image Thailands ein wenig aufpolieren. Das Schmuddelimage hat nämlich weder die arbeitende Bevölkerung Thailands noch die hier lebenden Auswanderer verdient. Es sind immer die gleichen, deren Motto lautet: Fressen, Ficken, Saufen. Solche „Touristen“ braucht kein Land dieser Erde.

Der Tod eines Menschen ist immer traurig. Er wird aber nicht weniger traurig, wenn er unter Palmen und mit vermeintlichem „Spaß“ eintritt. Eher ist er noch trauriger, wird doch die Armseligkeit menschlicher Existenz schonungslos offenbar, wenn in der Zeitung steht, dass eine Leiche nur gefunden wurde, weil der Geruch im gesamten Stockwerk nicht mehr zu ertragen war. Solche Menschen mögen bitte ihre traurige Existenz im Heimatland zuende leben. Ohnehin bringen diese Art Touristen und Expats kaum Geld ins Land, auch wenn das immer wieder gerne von ihnen erwähnt wird. Der langfristige Schaden, den sie im Land und an der Natur anrichten, ist weitaus höher zu beziffern.

Und bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich spreche nicht von Morden an Ausländern, die leider auch in Thailand vorkommen und wo natürlich jeder davon einer zuviel ist. Es geht lediglich um die Art von Expats, die schon verschimmeln bevor sie überhaupt gestorben sind. Und währenddessen keine Gelegenheit auslassen, Thailand in ein schlechtes Licht zu rücken, weil sie die Frustration ihres eigenen Lebens offenbar nicht mehr ertragen.

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