Tag 5 nach dem Militärputsch

Weltbewegendes gibt es auch am fünften Tag nach dem Militärputsch in Thailand nicht zu berichten. Es ist ruhig, öffentliche Verkehrsmittel fahren, es gibt keinerlei Probleme zur Arbeit oder nach Hause zu kommen. Es ist aber auch heiß in Bangkok. Was diese Hitze in den Gehirnen mancher hier ansässigen Aus­länder anrichtet, weiß ich nicht. Offenbar nicht nur Gutes, wenn man deren „Beiträge“ in manchen Foren sowie die Kommentare in „sozialen Netzwerken“ liest. Freie Meinungsäusserung ist wichtig, aber zuweilen scheint sie in pure Hetze abzugleiten, man ist einfach „dagegen“, egal was geschieht. Ganze Heerscharen von Rentnern schwingen sich zu weltpolitischen Kommentatoren auf und wissen selbst­verständlich viel besser als jeder Einheimische was gut und vor allem was schlecht für Thailand ist. OK, wer wollte es ihnen verbieten? Aber drängt sich denn nicht die Frage auf, warum sie noch hier sind in diesem „diktatorischen“, „anti-demokratischen“ Land?

Wir sind Gäste in Thailand und werden es immer bleiben, auch nach 20 Jahren. Jeder einzelne, der hier legal seinen Lebensabend verbringt oder hier legal arbeitet, wusste das vom ersten Tag an. Wenn es irgend jeman­dem hier nicht (mehr) gefällt, warum bleibt er dann hier und meckert?

Der Tag, an dem ich mit der thai­ländischen Mentalität nicht mehr zurecht komme oder mir der thai­ländische „Way of Life“ nicht mehr passt, ist der selbe Tag an dem ich meine Zelte hier abbreche und dorthin gehe wo all das stattfindet, was hier vermisst wird. Wer würde wohl einen Bekannten in einer fremden Stadt besuchen und ihm dann Vorhaltungen machen, dass er sich in seinem Wohn­zim­mer ziemlich unbehaglich fühlt?

Es wird „Demokratie“ gefordert. Das kommt immer gut, da kann man gar nicht daneben liegen. Aber Demokratie ist ein äußerst dehnbarer Begriff. Wenn sie richtig praktiziert würde, wäre sie die beste Regierungsform. Aber wird sie das? Neun Jahre Angela Merkel in Deutschland lassen mich zuweilen daran zweifeln. Eine Demokratie ist halt nur so gut wie seine Wähler. Die Wähler in einer optimalen Demokratie würden vor jeder Wahl die haushaltspolitische Lage prüfen, Bilanzen lesen, Einnahmen und Ausgaben vergleichen und kontrollieren, ob Wahlversprechen richtig, vernünftig und durchführbar sind. Macht aber leider fast keiner. Also sind wir selber Schuld, wenn wir belogen werden. Da kann uns kein Thai helfen, da müssen wir, im eigenen Land, selbst aktiv werden.

Die westlichen Medien

Einhellig ist man der Meinung, Demokratie müsse her, egal wie. Demokratie, Demokratie! Wir müssen verkaufen! Was aber ist das für eine Demokratie, die da gefordert wird? Die der Amerikaner etwa, welche der ganzen Welt ihren Willen aufzwingen will? Die, wenn etwas nicht so läuft, wie manche Lobbyisten sich das vorstellen, ungestraft so lange in fernen Ländern zündeln dürfen, bis sie endlich „eingreifen“ können, selbstverständlich nur der Menschenrechte und der Demokratie wegen?

Oder ist es die Demokratie Deutschlands, die jede kleine Partei, die es ungeplant in den Bundestag geschafft hat, so lange mit Spott und Häme überschüttet bis sie schließlich weg ist vom Fenster – und dabei nicht vergißt, den Wähler „auszuschimpfen“ weil er „falsch“ gewählt hat? Wahlen ändern nichts, sonst wären sie verboten…? Ich wage die Prognose, dass in Deutschland weder ein Spitzenkandidat der Linken noch der Rechten sehr lange Bundeskanzler wäre, selbst dann nicht, wenn seine Partei mit absoluter Mehrheit eine Bundestagswahl gewonnen hätte. Schon ‚mal darüber nachgedacht?

Die bundesdeutschen „Leitmedien“ mag man in Bezug auf südostasiatische Probleme gar nicht mehr lesen. Zu oberflächlich und mit viel zu wenig Detailwissen wird da ein Artikel nach dem anderen fab­ri­ziert: „Wir brauchen Demokratie! So schnell wie möglich.“ Mehr kommt da nicht – und die ewig gleichen Bilder von thailändischen Soldaten mit Maschinengewehren, weil sich das gut „verkauft“. Wie wohlig das Gefühl, zu den „Guten“ zu gehören, — selbstgerecht kann der Leser sich dann auf der Couch empören ob der unzivilisierten und ungebildeten Thais „da unten“, die schließlich auf „unser“ Geld angewiesen sind. Na gut, es gibt auch einige Ausnahmen.

Thais haben ein durchaus positives Verhältnis zu ihrem Militär und ich wage zu behaupten, dass die Majorität der thailändischen Bevölkerung durchaus der Meinung ist, dass der Militärputsch in der derzeitigen Situation die beste Lösung war. Aber um das herauszufinden, müsste man halt einen Korrespondenten nach Bangkok entsenden, der auch mal bereit ist, sein klimatisiertes Hotelzimmer zu verlassen. Thailand ist anders und das ist auch gut so!

Die sozialen Netzwerke

Bis dato ist weder Facebook noch Twitter in Thailand in irgend einer Weise eingeschränkt. Sollte das in naher Zukunft dennoch geschehen, würde mir das Verständnis auch dafür nicht völlig fehlen. Wenn freie Meinungsäusserung in reine Hetze ausartet, hat sie keinerlei Existenzberechtigung mehr. Hierzu ein Beispiel, das ich heute morgen selbst erlebt habe.

Meinungsfreiheit
Meinungsfreiheit oder Meinungsdiktatur?

Das simple Posten eines Links zu einem Artikel der Bangkok Post führte dazu, dass ein mir bis dahin völlig Unbekannter behauptete, für einen US-Dollar würden jetzt 100 Baht bezahlt. Ich antwortete mit einem Link auf einen Online-Konverter und stellte fest, dass der Wechselkurs nahezu unverändert bei 32 Baht liege. Tatsachen beeindruckten diesen Zeitgenossen indes kaum, er gab mir zu verstehen, dass dies zwar noch nicht, aber doch sehr bald der Fall sein würde. Auf meine neuerliche Antwort kamen übelste Beschimpfungen. Ich schaute mir den Account genauer an und sah, dass der Mann bereits bei mehreren anderen, positiven Tweets zum Hashtag #ThaiCoup ebenso reagiert hatte. Noch bevor ich erneut antworten konnte, hatte Twitter seinen Account gelöscht, weswegen die Tweets auch nicht mehr sichtbar sind. Großes Kompliment an Twitter. Genau dieser Mann und seine Freunde werden nun aber, was weiß ich wo, wieder lauthals Zensur schreien und womöglich die aben­teuer­lichsten Verschwörungstheorien vertreten. Liest das dann der falsche „Journalist“, kann jemand sich im Westen wieder seine Meinung BILDen. Und so geht das immer weiter.

Ein winzig kleines Beispiel, wie durch das absichtliche Posten von falscher Informationen Stimmung gemacht wird, ohne dass auch nur ein Körnchen Wahrheit dahinter steckt. Wenn dies dann irgend wann einmal dazu führt, dass ein entnervter Armee-General den Stecker zieht, sei’s drum. Ich kann auch ohne Facebook oder Twitter ganz gut leben. Ein wenig Verantwortungsbewusstsein, was das gezielte Absetzen von falscher Information in sozialen Netzwerken betrifft, würde uns allen, insbesondere den in Thailand lebenden Expats, sehr gut zu Gesicht stehen. Die am lautesten nach Toleranz schreien, sind häufig dieselben die am intolerantesten gegen andere sind.